Güte ist unbesiegbar!

Im dritten nachchristlichen Jahrhundert hatte es selbst ein römischer Kaiser nicht leicht. Der mächtigste Mann des Weltimperiums war von Neidern und Intriganten umgeben, ebenso wie von machthungrigen Generälen und mörderischen Verwandten. So hat auch der Kaiser Mark Aurel seine gesamte Amtszeit immer wieder an verschiedenen Fronten nach innen und außen gekämpft. Man kann sich das gut vorstellen. Fast unvorstellbar ist dagegen, was er abends in sein Tagebuch notiert:

„Güte ist unbesiegbar, aber nur wenn sie aufrichtig, nicht geheuchelt oder vorgetäuscht ist. Was kann schon der gemeinste Mensch ausrichten, wenn du ihm mit Güte begegnest und ihn, wenn es dir möglich ist, sanft belehrst – genau in dem Moment, in dem er versucht, dir Schaden zuzufügen?“ (Mark Aurel)

Wir alle kennen „gemeine Menschen“ und solche, die uns „Schaden zufügen“ wollen. Und wir fühlen uns oft hilflos, weil wir nicht wissen, wie ihnen beizukommen ist. Mark Aurel ist – aus vielfältigen Erfahrungen – quasi Experte in diesem Thema. Und seine beste Strategie-Empfehlung lautet: „Aufrichtige Güte“. Das ist allerhand! Vielleicht sollten wir es mal versuchen!

Die Sache hat allerdings einen Haken: Die Güte darf „nicht geheuchelt oder vorgetäuscht“ sein. Es handelt sich also nicht um ein Strategie-Instrument, das man mal so, mal so einsetzt, sondern um eine Lebenshaltung. Nach Ansicht der Stoiker entspricht es der menschlichen Natur, sich um ihre Artgenossen zu kümmern. Am deutlichsten wird dies in der Liebe und Fürsorge für die eigenen Kinder sichtbar. Jedoch sollten – der Stoa zufolge – die Menschen als rationale Wesen mit der Fähigkeit zur ethischen Weiterentwicklung ihre instinktiv vorhandene Fürsorge über die eigene Familie hinaus auf alle Mitmenschen ausdehnen, weil sie erkennen, dass sie alle Brüder und Schwestern sind.

Das Ziel des stoischen Weisen ist es, in Übereinstimmung mit der Natur und in Einheit mit der Welt als Ganzes zu stehen. Die Stoiker ermutigen uns daher, uns als integralen Teil der Natur und als Teil von etwas Größerem zu sehen. Für die Stoiker ist unser Lebenszyklus von der Geburt bis zum Tod nur ein winzig kleiner Teil des Lebens der Natur. Das anzuerkennen kann uns dabei helfen, jedes Ereignis mit Gleichmut zu akzeptieren – sogar Anfeindungen und Beleidigungen, die uns im Alltag begegnen mögen und denen wir mit Güte und Nachsicht begegnen sollen.

1 Kommentar

  1. Sehr gut beschrieben. Die Welt als Mitwelt statt Umwelt erkennen, jeder Einzelne als Teil des Ganzen.

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