„Das größte Lebenshindernis ist die Erwartung: Abhängig vom
Morgen, verliert sie das Heute..“ (Seneca)

BEREIT FÜR DIE STOA?

Warum die Stoa als Lebensphilosophie?

Wenn Sie ein wenig neugierig geworden sind, aber noch keine Ahnung haben, was die Stoa als eine Philosophie für Ihr Leben ausrichten kann, erfahren Sie in den nächsten Kapiteln, warum sich die Stoa als Lebensphilosophie besonders gut eignet.

Die Stoa ermöglicht eine neue Lebensperspektive

Die Stoa ist kein formales Regelwerk. Es geht nicht vorrangig um das Einhalten von Lehrsätzen oder Vorschriften, sondern um die Erlangung und Bewahrung einer Gesinnung, einer Einstellung zum Leben. Die Schule der Stoiker war von Beginn an „eudaimonisch“ (εὐδαιμονία) ausgerichtet. Sie wollte herausfinden, wie man ein Menschenleben am besten lebt. Ihr Ziel ist es nicht, eine Glaubensüberzeugung zu verbreiten oder an Argumenten für die Richtigkeit ihrer Sichtweise zu feilen, sondern eine bestimmte Geisteshaltung einzuüben und zu kultivieren. Stoizismus erfordert dazu einen Wechsel der Perspektive, wenn wir über unsere Situation nachdenken. Dann werden wir auch in der Lage sein, die Dinge in einem anderen Licht zu sehen.

Die Stoa bietet Handwerkszeug zur Lebensgestaltung

Der antike Stoiker Epiktet hat die Befassung mit der Stoa mit einem Handwerk verglichen. Unser Leben ist ein unbearbeitetes Stück Holz oder Stein und es braucht den geübten Handwerker – und die Handwerkskunst – um daraus etwas Nützliches herauszuarbeiten. Um den noch unförmigen Marmorblock unseres Lebens zu bearbeiten, gibt uns die Stoa Werkzeuge und Bearbeitungstechniken an die Hand. Insofern lag der inhaltliche Schwerpunkt der stoischen Lehre nie auf einem theoretischen Gedankengebäude, sondern auf den Möglichkeiten der praktischen Umsetzung. Durch bloßes Nachsinnen über den unbearbeiteten Marmorblick lässt sich der richtige Umgang mit Hammer und Meißel nicht lernen; es braucht vielmehr regelmäßige Übung. Mit der Zeit werden wir immer besser darin, das Material richtig zu „lesen“, die Werkzeuge richtig auszuwählen und zu verwenden – bis wir das geformt haben, was wir sein möchten.

 Mach dir zunächst klar, was du sein möchtest; und dann tue, was du tun musst. (Epiktet)

Die Stoiker entwickelten Werkzeuge und eine praktische Anleitung, wie wir mit Konflikten und schwierigen Situationen umgehen können. Allerdings darf man die Stoa auch nicht als bloßes Rezeptbuch missverstehen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Die Grundsätze der Stoa sind kaum geeignet (auch wenn dies immer wieder versucht wird) kurzfristige Wirkungen zu erzielen. Die Stoa bietet keine Medizin für akute (Krankheits-) Fälle. Man muss sich auf die Stoa einlassen und einen – sehr persönlichen – Weg beschreiten. Dieser Weg muss nicht steinig und schwer sein, aber er muss beschritten werden. Auf diesem Weg erscheinen uns die Lehren der Stoa immer wieder als Herausforderung und Provokation für unser Alltagsleben. Dabei liefern sie weder Detail-Antworten noch fordern sie Perfektion. Sie sind vielmehr eine Schule der ständigen Übung und Erprobung.

Die Stoa bietet einen Kompass zur Orientierung im Leben

Ohne eine Lebensphilosophie können Menschen sich nicht persönlich weiterentwickeln; sie suchen im Alter noch genauso nach dem Sinn in ihrem Leben wie sie dies in ihrer Jugend taten. Um überhaupt Fortschritte auf dem Lebensweg erkennen zu können, braucht es Orientierung und eine Richtung. Die Stoa bietet eine Art Kompass, der uns eine Standortbestimmung ermöglicht und eine Richtung weist.

Um ein Stoiker zu werden, brauchen Sie keine professionelle Ausbildung oder Anleitung. Bei einer Beschäftigung mit der Stoa werden sich früh erste Erkenntnisse einstellen. Um die Stoa zur eigenen Lebensphilosophie zu machen, kommt es dann vor allem auf das Üben im Alltag an. Und es bedarf einiger Übung, bis man den Kompass lesen kann, aber man kann sich selbst auf diesen Kompass verlassen und braucht keinen Führer oder Lotsen. Da der Kompass geeicht ist und immer in dieselbe Richtung weist, können wir uns – und das ist wichtig – während des Gehens damit immer wieder Orientierung verschaffen. Wir müssen nicht mehr ziellos durch die Gegend laufen. Wir können bemerken, wenn wir im Kreis laufen. Wir können feststellen, ob und welche Fortschritte wir machen. Wenn für das Leben der Satz gilt: Der Weg ist das Ziel, dann ist ein Kompass auf diesem Weg das wichtigste Utensil, um schließlich in der Lage zu sein, auf ein erfülltes Leben zurückzublicken – ein Leben, dessen verzweigte steinige Wegstrecke wir als einen Weg des ständigen Fortschritts wahrnehmen können.

Die Stoa ist eine antike Philosophie für die Gegenwart

Was kann einem heutigen Mitteleuropäer eine über 2.000 Jahre alte Philosophie überhaupt noch zu sagen haben? Unsere Welt hat sich seit der Antike rasant weiterentwickelt. Heute geht es uns so gut wie nie zuvor. Gleichzeitig leben wir in einer zunehmend komplexen Gesellschaft, in der es durch die globale Vernetzung keine einfachen Lösungen mehr gibt, was viele Ängste weckt. Die Menschen fühlen sich – trotz all ihres Wohlstands – oftmals überfordert. Sie suchen nach Gewissheiten, an denen sie – wie an einem Rettungsanker – Halt finden können. Ihnen bietet die Stoa viele überraschend moderne Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit. Sie bietet insbesondere …

…  ein vernunftbasiertes Wertesystem: Die ideologischen und religiösen Gewissheiten früherer Generationen sind ins Wanken geraten. Dagegen kann die Stoa Halt bieten. Sie hat zwar keine Heilsversprechen im Gepäck, aber sie vermittelt ein klares Wertesystem, das nicht auf Glauben, sondern auf Vernunft basiert.

…  Hilfe zur Selbsthilfe: Viele Menschen haben sich heute zunehmend von gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Institutionen entfremdet, denen sie früher noch vertrauen und folgen konnten. Dagegen kann die Stoa Orientierung bieten. Sie tut dies nicht durch Gurus oder geistige Führer, die sagen, wo es lang geht. Vielmehr vermittelt die Stoa ein Do-it-yourself-Programm mit effektiven Werkzeugen und einer Anleitung zum Üben, mit der wir unseren Weg selbst zu finden in der Lage sind – auch wenn dies nicht ohne Anstrengung geht.

…  eine kosmopolitische Gesinnung: In Zeiten der Unsicherheit reagieren Menschen oft mir Abgrenzung, Abriegelung und Rückzug. Dagegen propagiert die Stoa Entgrenzung. Stoiker waren und sind Kosmopoliten, die Verantwortung für sich selbst wie für ihre Mitmenschen und die (Um-) Welt übernehmen. Die Stoa vermittelt hierzu eine Gesinnung, wie die Menschen in einer globalen Welt brüderlich und schwesterlich zusammenleben können, und wirkt damit einer Abgrenzungs-Gesinnung entgegen.

Heute kann ein „Moderner Stoizismus“ daher ohne weiteres dazu taugen, uns in einem digitalen Zeitalter und einer globalen Welt zurechtzufinden. Probieren Sie es einfach aus!