Wie gelingt ein erfülltes Leben?

Geht es Ihnen auch so? Manchmal wird so viel(fältig) über die Stoa diskutiert, dass man aus dem Auge verliert, worum es dabei eigentlich geht! Also? Worum geht es bei der Stoa?

Die stoische Philosophie verfügt über kein formales Regelwerk. Zurecht, denn es geht in der Stoa nicht um das Einhalten von Lehrsätzen oder Vorschriften, sondern um die Erlangung und Bewahrung einer Gesinnung, einer Einstellung zum Leben. Während die heutige „Philosophie“ eher als akademische Disziplin und das Philosophieren als abgehobener Diskurs unter Gelehrten erscheint, ist die Stoa – schon seit der Antike – auf die Bewältigung des alltäglichen Lebens ausgerichtet. Sie leistet einen Beitrag dazu, ein besseres Leben zu führen und ein besserer Mensch werden zu können – jeden Tag. Die Stoa gibt Anleitung für eine Grundhaltung, mit der wir den Herausforderungen des täglichen Lebens – und auch einigen Stürmen – begegnen können – mit unerschütterlicher Ruhe und innerer Ausgeglichenheit. Um dies zu erreichen, bietet die Stoa kein Heilsversprechen, sondern eine ganze Palette von Übungen an – als eine praktische Unterstützung für den Alltag. Dabei ist die Stoa und der Stoizismus mehr als nur eine Technik und bietet mehr als bloße Entspannungsübungen für den gestressten Manager – sie ist eine Lebensweise!

Ausgerichtet war die Schule der Stoiker von Beginn an auf Eudaimonia (εὐδαιμονία). Übersetzt wird dies häufig mit Glück oder Glückseligkeit. Passender wäre aber die Übersetzung mit: Zufriedenheit oder Erfüllung. Aber was ist ein erfülltes Leben? Die Antwort, die man in der Schule der Stoa lernen kann, ist komplex; aber wenn man sie auf die zwei wichtigsten Sätze reduziert, könnten sie so lauten:

1. Ein erfülltes Leben …

…  erfordert keinen Reichtum und kein Ansehen …

Ob jemand etwas aus seinem Leben macht, hängt nach Überzeugung der Stoiker letztlich nicht von seinen finanziellen Möglichkeiten und seinem gesellschaftlichen oder sozialen Status ab. Dies mag in manchen Fällen hilfreich sein, steht jedoch in anderen Fällen echter Lebenszufriedenheit im Weg und ist daher für Stoiker mit Blick auf das Ziel der Eudaimonia im Ergebnis ohne Belang. Denn ein gutes Leben führt nur, wer selbst gut ist!

„Vertraue nicht auf deinen Ruf, auf dein Geld oder deine Stellung, sondern auf deine innere Stärke.“ (Epiktet)

…  denn man findet es nur in sich selbst.

Entscheidend für die Eudaimonia ist ein Leben im Einklang mit den inneren Werten, den Tugenden – wobei die Stoiker mit Tugend (Areté) die charakterliche Tauglichkeit einer Person meinen. Das hört sich anspruchsvoll an. Jedoch verfügen nach Ansicht der Stoiker alle Menschen bereits von Natur aus über die charakterliche Tauglichkeit für ein gutes und gelungenes Leben.

„Die einzige Garantie für ewiges, unbeschwertes Glück ist ein guter Charakter.“ (Seneca)

2. Ein erfülltes Leben …

…  kann jeder erreichen, der sein eigenes Potenzial ausschöpft …

Das Potenzial zu einem tugendhaften und damit gelungenen Leben steckt von Natur aus in jedem Menschen – es muss nur entdeckt werden. Stoiker vergleichen dies mit einem „Samen“, den jeder Mensch in sich trägt – völlig unabhängig von Erbmassen oder gar von „Erbsünden“. Allerdings muss der „Samen“ gehegt und gepflegt werden. Man muss sich seine Tugendhaftigkeit selbst erarbeiten. Sie ist weder käuflich noch wird sie verliehen, auch nicht nach Bittgebeten oder Opfergaben. Ein erfülltes Leben ist daher nur möglich, wenn wir dieses Potenzial in uns selbst entdecken und stetig weiterentwickeln.

„Sieh in dein Inneres. Dort ist die Quelle des Guten; und sie ist jederzeit dazu bereit, zu sprudeln, solange du nur gräbst.“ (Mark Aurel)

…  und sich schrittweise seinem bestmöglichen Zustand nähert.

Durch stoische Erkenntnisse und regelmäßige Übungen können wir unser Potenzial zur Entfaltung bringen. Eudaimonia erlangen wir schließlich, wenn es gelingt, den „Samen“ zum „Aufblühen“ zu bringen. Dies bedeutet, am Ende zu der Person zu werden, die die bestmögliche Version unserer selbst ist. Der Weg dahin ist schwierig. Aber auf dem Lebensweg zu unserem besten Selbst werden wir – das ist das Versprechen der Stoiker – wahre dauerhafte Erfüllung finden.

„Mach dir zunächst klar, was du sein möchtest; und dann tue, was du tun musst.“ (Epiktet)

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