Den meisten von uns geht es so gut, dass wir uns gar nicht vorstellen können, dass es uns auch einmal schlecht gehen könnte. Der Stoiker ist sich jedoch bewusst, dass uns Verluste jederzeit treffen können. Wir können uns nur darauf vorbereiten, indem wir uns daran gewöhnen, wie es sich anfühlt, ohne bestimmte Annehmlichkeiten zu leben.

 „Hier ist eine Lektion, um den Eifer deines Verstandes zu prüfen: Verbringe eine Woche mit dem magersten und einfachsten Essen, kleide dich spärlich in schlichten Lumpen, und dann frage dich, ob dies wirklich das Schlimmste ist, was du zu befürchten hast. Wenn die Zeiten gut sind, dann solltest du dich bereit machen für die schwierigeren Phasen in der Zukunft, denn während Fortuna uns hold ist, können wir unsere Verteidigung gegen ihre Attacken aufbauen. Deshalb üben die Soldaten zu Friedenszeiten, bauen Bunker, obwohl kein Feind in Sicht ist, und strapazieren sich, obwohl niemand angreift, damit sie nicht müde werden, wenn es soweit ist.“ (Seneca)

Diese Art der Vorbereitung auf künftige schwere(re) Zeiten findet – anders als die Übung der praemeditatio malorum – nicht nur im Kopf statt, sondern simuliert eine Verlustsituation real, allerdings lediglich für einen begrenzten Zeitraum. Beispielsweise ist es eine gute Übung, immer wieder mal eine Fastenzeit einzulegen – nicht nur aus gesundheitlichen Gründen, sondern um sich Abhängigkeiten bewusst zu machen. Indem man sich Dinge versagt, die einem lieb sind (z.B. Autofahren, Süßigkeiten oder Soziale Medien u.v.m.), kann es gelingen, wieder (geistige) Unabhängigkeit zu erlangen.

Viele Christen nutzen diese Technik übrigens auch in der siebenwöchigen Fastenzeit vor Ostern, indem sie in diesem Zeitraum nicht nur auf Schoko­lade oder Nikotin verzichten, sondern der Einladung zum Fasten im Kopf folgen: Sieben Wochen lang die Routine des Alltags hinterfragen, eine neue Perspektive einnehmen, entdecken, worauf es ankommt im Leben. Anregungen dazu finden Sie auf https://7wochenohne.evangelisch.de/.