Der antike Stoiker Epiktet hat die Befassung mit der Stoa mit einem Handwerk verglichen. Unser Leben ist ein unbearbeitetes Stück Holz oder Stein und es braucht den geübten Handwerker – und die Handwerkskunst – um daraus etwas Nützliches herauszuarbeiten. Um den noch unförmigen Marmorblock unseres Lebens zu bearbeiten, gibt uns die Stoa Werkzeuge und Bearbeitungstechniken an die Hand. Insofern lag der inhaltliche Schwerpunkt der stoischen Lehre nie auf einem theoretischen Gedankengebäude, sondern auf den Möglichkeiten der praktischen Umsetzung. Durch bloßes Nachsinnen über den unbearbeiteten Marmorblick lässt sich der richtige Umgang mit Hammer und Meißel nicht lernen; es braucht vielmehr regelmäßige Übung. Mit der Zeit werden wir immer besser darin, das Material richtig zu „lesen“, die Werkzeuge richtig auszuwählen und zu verwenden – bis wir das geformt haben, was wir sein möchten.

 Mach dir zunächst klar, was du sein möchtest; und dann tue, was du tun musst. (Epiktet)

Die Stoiker entwickelten Werkzeuge und eine praktische Anleitung, wie wir mit Konflikten und schwierigen Situationen umgehen können. Allerdings darf man die Stoa auch nicht als bloßes Rezeptbuch missverstehen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Die Grundsätze der Stoa sind kaum geeignet (auch wenn dies immer wieder versucht wird) kurzfristige Wirkungen zu erzielen. Die Stoa bietet keine Medizin für akute (Krankheits-) Fälle. Man muss sich auf die Stoa einlassen und einen – sehr persönlichen – Weg beschreiten. Dieser Weg muss nicht steinig und schwer sein, aber er muss beschritten werden. Auf diesem Weg erscheinen uns die Lehren der Stoa immer wieder als Herausforderung und Provokation für unser Alltagsleben. Dabei liefern sie weder Detail-Antworten noch fordern sie Perfektion. Sie sind vielmehr eine Schule der ständigen Übung und Erprobung.