Richtig ist: Viele Stoiker neigen zur Härte gegen sich selbst und zur Lakonie. Sie sind streng in ihren Prinzipien und bedienen sich einer knappen, eher trockenen, schmucklosen Ausdrucksweise („Schweige meistens, oder sprich nur das Notwendige, und das nur mit wenigen Worten.“ Epiktet). Die Stoa hat für ihre Anhänger wenig Erbaulichkeiten im Angebot. Ihre Lehre ist voller Ernst und Pflichterfüllung.

Aber: Die Stoa lehnt Askese und Selbstkasteiung ab; sie ist auch nicht grundsätzlich genussfeindlich. Anders war dies bei der – mit der Stoa konkurrierenden – philosophischen Schule der Kyniker, die von ihren Anhängern unbedingte Bedürfnislosigkeit und Genügsamkeit forderte – wie dies der berühmte Diogenes in seiner Tonne vorlebte. Ein Stoiker kann dagegen durchaus Wohlstand erwerben, die schönen Dinge des Lebens genießen und Freundschaften pflegen – allerdings nur, solange er nicht sein Herz zu sehr daran hängt oder sich gar davon abhängig macht. Daher kann es für praktizierende Anhänger der Stoa sinnvoll sein, immer wieder einmal – als Übung – auf Genuss zu verzichten und zeitweise die schönen Dinge, an die man sich gewöhnt hat, zu verbannen, um zu testen, ob man noch weiß, was wirklich wichtig ist. Mit Askese hat das aber nichts zu tun.