Richtig ist: Die Stoiker haben die Affekte (Gemütserregungen wie Zorn, Hass, Freude) immer als eine Gefährdung der Seelenruhe angesehen. Nur wer seine Affekte durch richtiges (vernünftiges) Urteilen überwindet, wird tugendhaft.

Aber: Der moderne Stoiker sieht Emotionen nicht als eine Krankheit an, die bekämpft werden muss, sondern eher als Symptome, die man beobachten und ggf. eindämmen sollte, damit eine Krankheit nicht zum Ausbruch kommt. Es geht also nicht um eine generelle Unterdrückung oder das Verbergen von Emotionen (anders als bei den aus Star Trek bekannten Vulkaniern, die durch konsequente Anwendung von Logik lernen, jedwede schadhafte Gefühlsregung im Keim zu ersticken). Im Gegenteil: Die Stoa ermuntert uns, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und über ihre Ursachen und Anlässe zu reflektieren. Bei ihrem Auftreten sollte man wachsam sein und genau beobachten, woher Sehnsüchte und Begierden kommen, welchen Ursprung aufkommende Gefühle von Neid und Wut in mir haben. Nur wenn ich sie frühzeitig wahrnehmen und einordnen kann, lässt sich vermeiden, dass sie mich in meiner rationalen Betrachtung beeinflussen. Ein Stoiker kann durchaus ein reiches Gefühlsleben haben, sollte sich aber nicht von Emotionen überwältigen oder manipulieren lassen. Worauf es ankommt, ist nicht, was wir empfinden, sondern wie wir auf unsere Empfindungen reagieren.