Neben Wut und Zorn sind vor allem Angst und Furcht alltägliche Emotionen, die uns das Glück in unserem Leben vergällen können. Zählen Sie selbst einmal nach: Es gibt in unserem Alltag so viele Formen von Angst – Versagensangst, Angst zu spät zu kommen, Flugangst, Angst vor einem Arztbesuch, Angst vor dem Verlust der Arbeitsstelle, allgemeine Zukunftsangst etc. – dass unser Leben davon maßgeblich (mit-) bestimmt wird. Das stoische Ideal der „Gemütsruhe“ (Ataraxia) kann in diesen Fällen bei richtiger Einübung Erleichterung bringen (natürlich nicht bei krankhaften Angststörungen, die einer therapeutischen Behandlung bedürfen).

Angst und Furcht sind eigentlich natürliche und nützliche Reaktionen, wenn wir uns in einer realen Gefahrensituation befinden (und wir uns z.B. durch einen Fluchtreflex in Sicherheit bringen können). Echte Gefahrensituationen gibt es für Mitteleuropäer aber nur noch selten. Unsere Ängste werden daher zunehmend von Sorgen genährt, die sich auf die Zukunft richten. Oft sind sie auf (mehr oder weniger) unbestimmte künftige Ereignisse fixiert. Wir sorgen uns um das Wetter für die Gartenparty, um den Verlauf einer Reise, um das allgemeine Wohlbefinden der Kinder oder um das Gelingen eines beruflichen Aufstiegs. Ein gewisses Maß an Sorge ist nur natürlich. Entscheidend ist aber, sich von den ersten spontanen Eindrücken nicht überwältigen oder gefangen nehmen zu lassen. Manche Menschen können nicht aufhören, sich zu sorgen und über eine wahrgenommene Gefahr zu grübeln oder zu klagen. Für den Umgang mit solchen (Zukunfts-) Ängsten haben Stoiker verschiedene Methoden entwickelt, von denen drei wichtige im Folgenden genannt seien.

Seien Sie bestmöglich vorbereitet, aber gleichmütig gegenüber dem Ergebnis!

Wenn sich Menschen vor zukünftigen Ereignissen ängstigen, nutzt es wenig, ihnen zu raten, sie sollten sich beruhigen. Stoiker waren noch nie Vertreter einer „Hände in den Schoß legen“- Politik. Im Gegenteil: Tatsächlich raten Stoiker, wenn ein schwieriges Ereignis bevorsteht, das uns Angst einflößt (sei es eine Reise oder eine Prüfung oder ein Auftritt oder ein Wettbewerb), die Ärmel hochzukrempeln und sich so gut wie möglich darauf vorzubereiten. Wenn man die Situation gut durchdenkt, wird man viele Ideen entwickeln, was zur Vorbereitung hilfreich ist. Das Entscheidende ist jedoch: Stoiker treffen die Vorbereitungsmaßnahmen gewissenhaft, aber immer verbunden mit dem Vorbehalt: Sobald alles getan ist, was sinnvoll und möglich ist, muss einem das Ergebnis egal sein! Es gibt kaum etwas, was so beruhigend ist, wie das Wissen, alles getan zu haben, was in der eigenen Macht steht. Denn dann kann man das Ergebnis ruhig und gleichmütig auf sich zukommen lassen.

Versuchen Sie, Probleme zu „entkatastrophieren“ und auf ein realistisches Maß herabzustufen!

Eine der wichtigsten stoischen Regeln ist die Unterscheidung zwischen einem objektiven Ereignis und dessen subjektiver Beurteilung. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass es in der Regel nicht das zukünftige Ereignis selbst ist, vor dem wir uns fürchten müssen, sondern unsere subjektive Beurteilung und Vorstellungskraft das Ereignis zu dem macht, was uns ängstigt. So kann es sogar geschehen, dass wir vor ganz unbestimmten Ereignissen Angst empfinden, obwohl von ihnen objektiv (noch) gar keine Bedrohung ausgeht.

„Es sind nicht die Ereignisse, die Menschen beunruhigen, sondern deren Beurteilungen. (Epiktet)

„Wenn du wegen eines Ereignisses verzweifelt bist, ist es nicht die Sache selbst, die dir Sorgen bereitet, sondern nur, wie du sie beurteilst. Diese Beurteilung kannst du von jetzt auf gleich löschen.“ (Mark Aurel)

Das Fatale bei der Emotion „Angst“ ist, dass sie umso mächtiger ausfallen kann, je weniger wir selbst in der Lage sind, aktiv Einfluss zu nehmen. Die Stoa ermahnt uns dagegen, den Dingen nicht zu viel Beachtung zu schenken, die nicht in unserer Macht liegen.

 „Wenn ich einen ängstlichen Menschen sehe, frage ich mich, was will diese Person? Denn wenn sie nicht etwas wollte, was außerhalb ihrer persönlichen Macht ist, warum sollte sie dann so ängstlich sein?“ (Epiktet)

Leider neigen wir dazu, ungewisse Ereignisse in der Zukunft zu überdramatisieren und sie vorschnell zu Worst Case-Szenarien oder einer Katastrophe zu erklären. Wir müssen in diesen Fällen herunterkühlen und auf Distanz gehen. Donald Robertson (Stoa-Autor und Psychotherapeut) empfiehlt angehenden Stoikern zur Schaffung einer „kognitiven Distanz“, immer wieder „ganz bewusst zu üben, Dinge objektiv und unemotional zu beschreiben. Sich strikt an Fakten zu halten, kann allein schon Ängste besänftigen.“ „Vermeiden Sie vor allem das Schwelgen in Worst Case-Szenarien“. „Verzichten sie auf starke Werturteile oder eine emotionale Sprache und beschreiben Sie die Lage neutral und faktenbasiert“. Dies wird als „entkatastrophieren“ bezeichnet, indem Ereignisse  von einer „völligen Katastrophe“ auf ein realistisches Maß heruntergestuft werden.

Richten Sie den Fokus von der unbestimmten Zukunft auf eine planbare Gegenwart!

Stoiker sehen ein probates Mittel gegen Zukunftsängste auch darin, sich stärker auf die Gegenwart zu konzentrieren. Denn die Zukunft liegt außerhalb unserer Kontrolle und wird zudem – wie wir gesehen haben – durch unsere Vorstellungskraft oftmals „aufgebauscht“. Der Fokus auf die Gegenwart ermöglicht uns dagegen eine realistischere Einschätzung, was wir beeinflussen können und was nicht. Achten Sie daher auf Ihrem Lebensweg mehr auf das, was direkt vor Ihnen liegt, und weniger auf das, was vielleicht hinter der nächsten Kurve kommen könnte. Wagen Sie es, auf Sicht zu fahren.

„Lass dich nicht von einem Blick auf die ganze Bandbreite des Lebens erschrecken. Fülle deinen Kopf nicht mit Gedanken an all die schlimmen Dinge, die noch passieren könnten. Konzentriere dich auf die Gegenwart und frage dich, warum du sie so unerträglich findest und wie du sie überleben kannst.“ (Mark Aurel)

„Hör auf zu hoffen und du wirst aufhören, dich zu ängstigen. Die primäre Ursache beider Befindlichkeiten ist, dass wir in Gedanken schon zu weit voraus sind, anstatt uns den gegebenen Umständen anzupassen.“ (Seneca)

Die Konzentration auf das Gegenwärtige gelingt durch die stoische Grundhaltung der Achtsamkeit (Prosoché). Diese Achtsamkeit im gegenwärtigen Moment ist eine wichtige Voraussetzung, um mit Sorgen und Ängsten vor unbestimmten Ereignissen in der Zukunft umgehen zu können. Denn durch Achtsamkeit auf das Hier und Jetzt erfahren wir, was wir schon erreicht haben und wofür wir zutiefst dankbar sein können. Außerdem sind wir besser in der Lage, die als Nächstes anstehenden Schritte zu bedenken und dadurch unsere Zukunftsängste wirkungsvoll einzuhegen.